Der deutsche Bundeskanzler, der ohne Privilegien bleiben wird

Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder wird der erste Bundeskanzler in der deutschen Geschichte sein, der die mit seinem Amt verbundenen Privilegien verliert. Dass er weder finanziell attraktive Positionen bei der Severni tok 2 AG und dem russischen Ölkonzern Rosneft noch seine Freundschaft mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgeben wollte, war selbst der von seiner Partei SPD geführten Regierung zu viel. Laut deutschen Medien soll heute über den Vorschlag zur Aufhebung der Privilegien abgestimmt werden, der in der Koalition nach wochenlanger Abstimmung vorbereitet wurde.

Graffiti des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder an der East Side Gallery in Berlin. Das Graffiti lautet: Mein Gott, hilf mir, diese tödliche Liebe zu überleben. Foto von Anna Barth/Reuters

Der ehemalige Bundeskanzler aus den Reihen der sozialdemokratischen SPD sorgte schon vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine für Unbehagen und kontroverse Debatten in der deutschen Politik und Öffentlichkeit. Viele Deutsche machten ihn für seine gut bezahlten Positionen in russischen staatlichen Ölkonzernen verantwortlich, die laut der Zeitung Der Spiegel brachte bis zu 600.000 Euro Einnahmen pro Jahr ein. Gleichzeitig ist daran zu erinnern, dass es Schröder war, der kurz vor seinem Rücktritt von der Macht einen Vertrag mit dem russischen Staat abschloss, der später zum Bau des heute begrabenen Gaspipeline-Projekts Nord Stream 2 führte. Und nur wenige Tage nach dem Ende seiner Amtszeit als Kanzler im Jahr 2005 stellte ihn der russische Präsident Wladimir Putin bereits in dem Unternehmen ein, das das Nord Stream 2-Projekt überwachte. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler hat damit sicherlich erfolgreich den Weg für eine finanziell reiche Fortsetzung seiner Karriere außerhalb der deutschen Politik geebnet.

Gerhard Schröder ist seit mehr als zwei Jahrzehnten ein enger Freund und Fürsprecher des russischen Präsidenten. Foto: Grigory Dukor/Reuters

Gerhard Schröder ist seit mehr als zwei Jahrzehnten ein enger Freund und Fürsprecher des russischen Präsidenten. Foto: Grigory Dukor/Reuters

Freundschaft mit Putin zu stark

Und er ist nicht bereit, es aufzugeben. Um keinen Preis. Als Russland in die Ukraine einmarschierte, wurde er mit einer Lawine von Forderungen konfrontiert, er solle dennoch von allen Ämtern in der russischen Ölindustrie zurücktreten und Präsident Putin abschwören, mit dem ihn seit vielen Jahren eine enge Freundschaft verbindet. Aber er war nicht imstande, seinen Freund Putin zu kritisieren oder die Ämter aufzugeben, die ihm mehr als ein bequemes Leben ermöglichen. In der SPD wurde er aufgefordert, diese zu verlassen, an der Universität Göttingen, seine Ehrendoktorwürde zurückzugeben, und in der Stadt Hannover, seinen Ehrenbürgertitel zurückzugeben.

Alle ehemaligen deutschen Bundeskanzler erhalten am Ende ihrer Amtszeit Räumlichkeiten und Personal, darunter ein Sekretariat, Chauffeure und Sicherheitspersonal. Auf dem Foto: Altkanzlerin Angela Merkel und ihr Nachfolger Olaf Scholz. Foto: Fabrizio Bensch/Reuters

Alle ehemaligen deutschen Bundeskanzler erhalten am Ende ihrer Amtszeit Räumlichkeiten und Personal, darunter ein Sekretariat, Chauffeure und Sicherheitspersonal. Auf dem Foto: Altkanzlerin Angela Merkel und ihr Nachfolger Olaf Scholz. Foto: Fabrizio Bensch/Reuters

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die derzeitige deutsche Regierung unter Führung von Olaf Scholz‘ SPD erkannte, dass das Verhalten des ehemaligen Kanzlers Deutschland schadete. Der Druck von allen Seiten, vor allem von der Opposition, war zu groß. Auch wenn die Partei nicht beschloss, Schröder auszuschließen, stimmte sie zu, ihm die Privilegien zu entziehen, die er als ehemaliger Kanzler hat. Alle ehemaligen deutschen Bundeskanzler erhalten am Ende ihrer Amtszeit Räumlichkeiten und Personal, darunter ein Sekretariat, Chauffeure und Sicherheitspersonal, was im Fall Schröders den Staatshaushalt jährlich rund 400.000 Euro kostete. Auch die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel erhielt vom Staat Personal und Geschäftsräume, über die sie nach eigenem Ermessen verfügen kann. Schröder wird also das Personal verlieren, das ihm in seinen mit seinem Status als ehemaliger Kanzler verbundenen Büros zur Verfügung steht, wenn der Entzug der Privilegien in der Regierung bestätigt wird. Die einzige Ausnahme besteht darin, die Sicherheit zu gewährleisten.

Das droht nun auch allen anderen deutschen Bundeskanzlern. Der Vorschlag sieht Änderungen in der Privilegienregelung für Altkanzler vor. Demnach sollen diese nur dann Anspruch auf Personal- und sonstige Vergünstigungen haben, wenn sie die Funktion des Altkanzlers im Sinne dieses Amtes wahrnehmen und bestimmte Dauerverpflichtungen erfüllen. An dieser Stelle könnte es kompliziert werden, denn diese Verpflichtungen sind (noch) nicht festgelegt. Altkanzler Schröder könnte deshalb ebenfalls klagen. Ihm bleiben dann immerhin noch rund 8.000 Euro monatliche Pension.

Hildebrand Geissler

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