Während die deutsche Polizei drei Jahrzehnte lang nach der berüchtigten Terroristin suchte, wurde sie von einem Journalisten mithilfe künstlicher Intelligenz in einer halben Stunde gefunden. Er nutzte ein Programm für 30 Euro, das das Foto der gesuchten Person mit veröffentlichten Fotos im Internet vergleicht.
Ende Februar nahm die deutsche Polizei nach 30-jähriger Fahndung in Berlin ein ehemaliges Mitglied der linksextremen Terrorgruppe Rote Armee Fraktion (RAF) fest. Daniela Klette. In ihrem Haus wurden große Mengen an Waffen und Munition gefunden, bei deren Beseitigung die Bewohner das Wohngebäude für einige Zeit verlassen mussten. Sie entdeckten unter anderem eine Kalaschnikow, ein Schnellfeuergewehr und eine Panzerabwehrhandgranate.
Der Fall der 65-jährigen Klette wurde nach Angaben der Deutschen Welle bereits im vergangenen Herbst von einem Journalisten untersucht Michael Colborn vom internationalen Ermittlungsportal Bellingcat. Sie hat ihren Sitz in Amsterdam und beschäftigt sich mit dem Thema Rechtsextremisten in Europa. Er untersuchte den Fall für den Autor des Podcasts Legion, der vom deutschen öffentlich-rechtlichen Sender RBB ausgestrahlt wird. Er war überrascht, dass er für Klette in zehn Minuten zu den ersten Ergebnissen der Befragung kam und die gesamte Befragung in einer halben Stunde beendete.
Ein unauffälliger Wohnblock im Berliner Bezirk Kreuzberg, in dem Ende Februar die 65-jährige Daniela Klette festgenommen wurde.
Colborn sagte der Berliner Tageszeitung, er habe der Polizei keine Angaben gemacht und sei nicht der Einzige, der in dem Fall ermittelte.
Die künstliche Intelligenz identifizierte sie innerhalb einer halben Stunde
Um Klette zu finden, nutzte Colborn ein Programm für künstliche Intelligenz, das das Gesicht auf dem Foto mit Fotos vergleicht, die online, insbesondere in sozialen Medien, veröffentlicht wurden. „Der gesamte Vorgang dauerte etwa 30 Minuten. Von der Suche nach Klettes Gesicht bis hin zur Entdeckung, dass es Fotos einer älteren Frau gab, die in einem brasilianischen Kulturzentrum aufgenommen wurden, höchstwahrscheinlich Fotos von Daniela Klette“, sagte Colborn.
Die Zuverlässigkeit der Ergebnisse überprüfte er mithilfe eines anderen Programms für künstliche Intelligenz, wobei seine Ergebnisse bestätigt wurden. Dies teilte er auch den Podcast-Journalisten mit und empfahl ihnen, seiner Methode zur Suche nach Klette zu folgen.
Habe das Programm für 30 Euro genutzt
Eines der eingesetzten Programme heißt „PimEyes“ und ist für 30 Euro für jedermann erhältlich. Es nutzt künstliche Intelligenz, um online Zusammenhänge zwischen verschiedenen Fotos zu finden. Wenn die Fotos öffentlich verfügbar sind, kann das Programm sie analysieren.
Das Start-up-Unternehmen „PimEyes“ wurde 2017 in Polen gegründet und gehört heute einem Unternehmen aus Dubai. Aufgrund seiner intransparenten Geschäftstätigkeit und des umstrittenen Umgangs mit personenbezogenen Daten erntete das Unternehmen bereits mehrfach Kritik in den Medien. Im deutschen Bundesland Baden-Württemberg wurde 2022 sogar ein Strafverfahren gegen das Unternehmen eingeleitet.
Journalisten der Deutschen Welle fragen sich, wie Colborn, der überhaupt kein Deutsch spricht, in einer halben Stunde eine Terroristin finden konnte, die deutsche Polizei jedoch 30 Jahre lang nicht gelang? Sie fragen sich auch, warum die Polizei das genannte Programm nicht genutzt hat.
Die Antwort liegt im deutschen Datenschutzgesetz, das der Polizei solche Recherchen nicht erlaubt. „Von Journalisten und Forschern genutzte Programme dürfen von der Polizei nur eingeschränkt oder unter besonderen Voraussetzungen genutzt werden“, erklärte sie gegenüber der Deutschen Welle Daniela BehrensNiedersächsischer Innenminister.
Bahrens plädiert seit langem dafür, die deutschen Sicherheitsbehörden mit moderneren Überwachungsmethoden auszustatten, künstliche Intelligenz nutzen zu dürfen und mit rechtsstaatlichen und freiheitlichen Gesellschaftsordnungen vereinbare Befugnisse zu erhalten.
Der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft pflichtet ihr bei Jochen Kopelke. „Es ist uns nicht klar, warum die Polizei im Zeitalter von künstlicher Intelligenz, Automatisierung und Digitalisierung nicht solch nützliche Software einsetzen sollte“, sagte Kopelke und wies darauf hin, dass die Polizei in den benachbarten EU-Ländern in diesem Bereich große Fortschritte gemacht habe. Es fordert den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie in Bahnhöfen, Fußballstadien und Flughäfen.
Parlamentarischer Vertreter der regierenden Liberalen (FDP) Konstantin Kuhle Andererseits warnt er, dass der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware „sehr problematisch“ sei. „Bürger müssen sich im öffentlichen Raum bewegen können, ohne bei jedem Schritt identifiziert zu werden“, ist er überzeugt.
Zwei Terroristen sind immer noch auf der Flucht
Klette und zwei weitere Komplizen, die die Polizei noch nicht gefunden hat, sind seit den 1990er Jahren auf der Flucht. Gegen beide wurde ein Haftbefehl wegen ihrer Beteiligung an der RAF und wegen der Raubüberfälle erlassen, mit denen sie Ende der 1990er Jahre begannen. Sie sollen bis vor einigen Jahren andauert haben, und nach Erkenntnissen der Ermittler war es der Raubüberfall, der dem Trio ein Leben auf der Flucht ermöglichte.
Während ihres 30-jährigen Bestehens terrorisierte die RAF Westdeutschland durch Anschläge und Attentate. In der Einsatzzeit von 1970 bis 1998, als sich die Gruppe selbst auflöste, sollen Mitglieder der RAF für den Tod von mehr als 30 Menschen verantwortlich gewesen sein.
Nach Klettes Festnahme kamen in den deutschen Medien Details über ihr Leben auf der Flucht ans Licht. Seit etwa 20 Jahren trägt er eine falsche Identität als Claudia Ivone Mit einem italienischen Pass lebte sie zusammen mit ihrem Partner und einem Hund in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus im Berliner Bezirk Kreuzberg. Trotz wiederholter Haftbefehle versuchte sie nicht, ihr Gesicht zu ändern.
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