Kandidaten für den SPD-Vorsitz würden eine deutsche Hausfrau feuern

Wenn in Deutschland jemand behauptet, die Fiskalregel, der ausgeglichene Haushalt oder die sogenannten schwarzen Nullen seien ökonomisch unsinnig, gibt es entsetzte Kommentare über Gotteslästerung. Die Anwärter auf den Parteivorsitz der SPD haben sich nun ein neues Argument ausgedacht: Der Klimawandel werde Deutschland so viel kosten, dass es deutlich billiger wäre, die Regeln abzuschaffen.

Wie viel Deutschland über mehrere Jahrzehnte hinweg genau in die Reduzierung der Treibhausgasemissionen investieren muss, um die Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu senken, ist nicht klar. Verschiedene Berechnungen reichen von knapp 1.000 Milliarden Euro bis zu mehr als dem Doppelten. Aber selbst wenn wir den niedrigeren Wert für die Jahresberechnung nehmen, sind das mehr als 30 Milliarden Euro pro Jahr, die dem Staat nicht zur Verfügung stehen. In diesem Jahr sollen rund 6 Milliarden Euro in den speziellen Fonds eingesammelt werden, und in Berlin will man in diesem Jahr neue Vorschläge zur Beschaffung zusätzlicher Mittel vorlegen. In den Staatshaushalten der kommenden Jahre sind nicht genügend Mittel für die Finanzierung des Kampfes gegen den Klimawandel vorgesehen, und eine zusätzliche Kreditaufnahme ist ausgeschlossen. Auf dem Spiel stehen daher eine Erhöhung der Kraftstoffsteuern, die Einführung einer Sondersteuer auf Kohlendioxidemissionen, die vor einiger Zeit für viel Aufsehen gesorgt hat, eine Erhöhung der Zölle auf den Luftverkehr…

Schwarze Null zu teuer?

Die SPD-Vorstandskandidatenpaare Karl Lauterbach und Nina Scheer sowie Michael Roth und Christina Kampmann betonten, dass das Beharren auf einem ausgeglichenen Haushalt und die Blockade zusätzlicher Schuldenaufnahme des Staates in einer solchen Situation keinen Sinn mache. Nach ihrer Einschätzung werden die Kosten des Nichtstuns für künftige Generationen die Kosten heutiger Schuldenaufnahme deutlich übersteigen. Zumal aktuell die Zinsen sogar negativ seien und der Staat so neue Schulden aufnehmen könne, ohne sie zu bezahlen. Das Beharren auf einem ausgeglichenen Haushalt gelte als verantwortungslos.

Dies bestätigte auch der sonst der SPD nahe stehende Direktor des Wirtschaftsinstituts IW, Michael Hüther, als er für die Zeitung Passauer Neue Presse sagte, das Konzept der schwarzen Null sei zu rigoros für den aktuellen Investitionsbedarf des Landes. Aus den Haushaltsunterlagen der Regierung geht hervor, dass Deutschland bis 2023 keine zusätzlichen Schulden aufnehmen will, wodurch die Schuldenquote unter das Maastricht-Ziel von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken würde. Damit wäre Deutschland eine der wenigen großen Volkswirtschaften weltweit mit einer so geringen Staatsverschuldung. Kritiker, die auf einer solchen Politik beharren, haben gewarnt, dass Deutschland derzeit günstige Kreditbedingungen habe und diese nutzen sollte. Auch weil längerfristige Prognosen zeigten, dass das BIP-Wachstum des Landes aufgrund der Alterung der Bevölkerung voraussichtlich viel geringer ausfallen werde als in den vergangenen fünf Jahren. Bei niedrigen Kreditkosten könnten so dringend benötigte Investitionen in die Infrastruktur, auch in die digitale, bessere Renditen oder höhere Multiplikatoreffekte erzielen.

Doch es gibt in Deutschland deutlich mehr Befürworter als Gegner der Austerität. Auch in der SPD und vor allem in der größten Regierungspartei CDU/CSU. Die Denklogik geht in etwa so: Wenn das Land jetzt Schulden aufnimmt, wo es keinen Bedarf dafür gibt und es der Wirtschaft noch gut geht, nutzt es den Spielraum für Kredite zu einem Zeitpunkt, an dem es der Wirtschaft schlecht geht und neue Schulden unausweichlich sind. Johannes Kahrs, der bei der SPD für den Haushalt zuständig ist, glaubt sogar, dass neue Schulden dem Land in keiner Weise nützen würden. Es ist verständlich, dass das Land keine Investitionsideen hat, für die frische Mittel ausgegeben würden, was natürlich an sich schon ein Grund zur Sorge ist.

Hildebrand Geissler

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