Lastenräder: Rückblick in die Vergangenheit oder Weg in die Zukunft? – Kleinigkeiten

Lebte 1950 nur ein Drittel der Menschen in Städten, lebt heute mehr als die Hälfte der Menschheit in urbanen Umgebungen, Tendenz steigend. Die Massenverstädterung erschwert die Zustellung in Ballungszentren, sodass die Hersteller von Transportmitteln gezwungen sind, nach neuen Lösungen zu suchen, und eine davon ist das Lastenrad. Ob Waren aus nah oder fern kommen, die größten Lieferhindernisse wie schmale Gassen, abgelegene Wohngebiete und verstopfte Fußgängerzonen liegen immer am Ende, der letzten Meile vor der Auslieferung an den Kunden.

Allein im Jahr 2018 wurden deutschlandweit rund 3,5 Milliarden Pakete zugestellt, das sind mehr als zwölf Millionen pro Werktag. Die Invasion von Paketen soll jedes Jahr um fast fünf Prozent zunehmen. Lastenräder, die aussehen wie Lieferfahrzeuge von früher, werden tatsächlich als Transportmittel angeboten, die die erwähnten städtebaulichen Hindernisse überwinden könnten, und das vor allem wegen der Elektroantrieb würde die Umwelt nicht belasten.

Das Interesse wächst rasant

Lastenfahrräder dominierten in den 1920er und 1930er Jahren den städtischen Nahverkehr, wurden von Handwerkern, Bäckern und Kurieren genutzt, verschwanden aber mit dem Aufkommen des Automobils von der Bildfläche. Seine Verwendung wurde in den 1980er Jahren in den Niederlanden und Dänemark wiederbelebt. Heute gibt es in Deutschland rund 60 Hersteller, die sich auf Lastenräder spezialisiert haben. 2018 wurden rund 40.000 davon verkauft. zusammen machen sie vier Prozent aller verkauften E-Bikes aus und bleiben damit ein Nischenprodukt. Aber Lastenräder erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, vor allem als Alternative zu Stadtautos oder Kleintransportern. In Deutschland fördern sie mittlerweile den Kauf mit Prämien und Steuervorteilen.

Im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg haben fünf der größten Zustellunternehmen Deutschlands, darunter Hermes, DHL und DPD, ein Jahr lang die Zustellung per Lastenrad getestet. Es war jeden Tag bis elf in Betrieb. Im Projekt KoMoDo wurden insgesamt 38.000 Kilometer gefahren und 160.000 Pakete zugestellt. Ziel war es, ein alternatives Konzept für den städtischen Lieferverkehr zu testen. Mitte 2019 erkannten die beteiligten Unternehmen, dass dieser Ansatz vor allem für Gebiete mit hoher Dichte und geeigneten Packages gedacht ist

Lastenräder werden smart

Auch die Fahrzeughersteller bemerken das wachsende Interesse an Lastenrädern. Volkswagen hat auf der IAA Nutzfahrzeuge 2018 ein eigenes E-Lastenrad vorgestellt. Das Unternehmen hat ein VW Cargo e-Bike mit Automatikgetriebe und Elektromotor entwickelt, alles verbunden mit einer Lithium-Ionen-Batterie mit einer Reichweite von 100 Kilometern. Die zweirädrige Vorderachse kann entweder eine Ladefläche, einen Kinderwagen oder eine 500-Liter-Cargobox tragen. Das Fahrzeug kann bis zu 210 kg (inklusive Fahrer) tragen. Mit einer Breite von nur 89 Zentimetern kommt das Cargo e-Bike problemlos durch schmale Gassen und Fußgängerzonen. Die dicken Reifen sorgen für zusätzlichen Fahrkomfort.

Rytle kombiniert E-Lastenräder mit patentierten Ladeboxsystemen und urbanen Hubs zu einem kompletten Netzwerksystem. Es gibt auch ein Modell mit induktiver (drahtloser) Ladestation. Dies ist eine sehr fortschrittliche Technologie für ein Lastenrad, das einer Rikscha ähnelt. Doch statt Passagieren kann sich das Heck einfach in einen fast zwei Meter hohen kleinen Container verwandeln. Je nach Lieferung werden die Boxen vorab beladen und der Fahrer fährt sie dann von verschiedenen Ladestationen – Hubs – an ihren Bestimmungsort. Außerdem arbeitet das Start-up mit dem DLR (Deutsches Raumfahrtzentrum) an einem Modell, das Brennstoffzellen nutzt. Der sich schnell füllende Wasserstofftank soll den ganzen Tag durchhalten, ohne dass das Fahrzeug betankt oder die Batterie ausgetauscht werden muss. Aufgrund des modularen Aufbaus kann die Technologie in bestehenden Lastenradkonstruktionen eingesetzt werden.

Das Besondere an den drei Komponenten – dem Lastenrad, dem Container und der Nabe – ist ihre Verbindung über eine hochintelligente Software. In Zusammenarbeit mit IT-Experten in Bangalore, Indien, entwickelte Rytle die „Machine-to-Machine-Communication“. Kombiniert mit Smartphones können Nodes, Container und „Movr“ jederzeit Inhalte, Standort und andere Daten übermitteln. Die Technologie ist so ausgelegt, dass Kuriere mit Datenbrillen arbeiten können. Sie schauen in die Box und die QR-Codes zeigen ihnen, welches Paket sie als nächstes auswählen sollen. So wissen die Fahrer genau, was sie transportieren. Gleichzeitig versorgt „Movr“ das System kontinuierlich mit Informationen zu Status, Standort und Nutzungsprofil, damit Empfänger ihre Sendungen online verfolgen können. Damit erreichen Sendungen und Pakete schneller die Haustür der Kunden – nicht nur zur Weihnachtszeit. Denn Lastenräder wie das „Movr“ und das „Cargo e-Bike“ von VW bleiben auf der letzten Meile meist abseits der Straßen – sie nutzen einfach Radwege.

Helfried Kraus

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