Die deutsche Regierung erwägt die Einführung einer aktienbasierten Rentenversicherung

Angela Merkel zurücktreten kann sie noch nicht. Bis eine neue Regierung gebildet ist, bleibt sie Bundeskanzlerin. Gut einen Monat nach der Bundestagswahl verhandeln die erst-, dritt- und viertstärkste Partei (SPD mit 25,7 Prozent, Grüne mit 14,8 Prozent und FDP mit 11,5 Prozent der Stimmen) über eine Koalitionsregierung. Das Koalitionsprogramm soll Ende November verkündet werden. Die Farbe der SPD ist rot, die der Grünen ist grün, die der FDP gelb, es wird also eine Ampelkoalition.

Diese drei Parteien unterscheiden sich zwar in vielen Punkten, sind sich aber in einigen Punkten einig. Darunter sind einige, die offenbar nicht übermäßig wichtig sind, aber eine starke Medienpräsenz haben. Die Antworten darauf sollten zeigen, dass Deutschland eine offene Gesellschaft ist, die Vielfalt fördert. Sozialdemokraten, Grüne und Liberale haben wahrscheinlich nichts dagegen, dass gleichgeschlechtliche Partner alle Rechte bekommen, die heterosexuelle, verheiratete Paare haben. Konsens besteht unter ihnen auch darin, Transgendern (geschätzt werden etwa 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung) das Leben zu erleichtern, so dass es einfacher wäre, ihren Namen zu ändern als jetzt usw. Einig sind sie sich auch über die Legalisierung des persönlichen Cannabiskonsums. Die Ampelkoalition wird am wahrscheinlichsten den Paragrafen 2019a des deutschen Strafgesetzbuchs abschaffen, der Abtreibungswerbung unter Strafe stellt.

Globaler Magnesiummangel bedroht die Autoproduktion

Auch das Thema Einwanderung nach Deutschland und Staatsbürgerschaft steht auf der Agenda der künftigen Koalition. Im vergangenen Jahr erhielten rund 110.000 Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft. Voraussetzung dafür ist, dass ein Ausländer mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt hat. SPD, Grüne und FDP wollen diese Frist verkürzen und sind auch nicht gegen eine doppelte Staatsbürgerschaft. Das Nachbarland Österreich etwa erlaubt keine doppelte Staatsbürgerschaft. Wer die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben will, muss zunächst auf die bisherige verzichten.

Die Ampelkoalition wird wahrscheinlich endlich den alten Wunsch der Unternehmer erfüllen, qualifizierten Arbeitskräften die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen zu erleichtern. Vielleicht wird Deutschland ein Punktesystem für die Erteilung von Genehmigungen für solche Einwanderer einführen, wie es einige andere Länder mit geregelter, konstanter Einwanderung schon lange haben. Die neue deutsche Regierung könnte das Wahlalter auf 16 Jahre senken, wie es in Österreich der Fall war. Zu diesem Zweck muss jedoch das deutsche Grundgesetz geändert werden, wofür eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erforderlich ist. SPD, Grüne und FDP verfügen über 416 der insgesamt 736 Bundestagsabgeordneten, weit unter der Mindestzahl von 491, die für eine Verfassungsänderung erforderlich wäre. Dafür bräuchte die Semafor-Koalition entweder die Unterstützung der konservativen CDU/CSU (197 Abgeordnete) oder der rechtsextremen AfD (83 Abgeordnete) im Deutschen Bundestag.

Parlament in Berlin. Foto: Michele Tantussi / Reuters

Parlament in Berlin. Foto: Michele Tantussi / Reuters

Die größere Unbekannte ist, was der gemeinsame Nenner der Koalitionsparteien in anspruchsvolleren sozialen Fragen sein wird, wie etwa in der Klimapolitik oder im Rentensystem, das reformiert werden muss. Viele fragen sich, ob die neue Regierung zum ersten Mal in der Geschichte der DDR einen Teil der Rentenfonds per Gesetz auf den Wertpapiermarkt leiten wird. Genau das schlagen die Liberalen vor.

Im Februar veröffentlichte die FDP ein „Konzeptpapier“ des Autors Johannes Vogelin der FDP-Fraktion zuständig für Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik und Christian DürrVizepräsident des FDP-Bundestagsklubs. Die Liberalen schlagen vor, dass Deutschland eine gesetzliche Verpflichtung einführt, einen Teil der Rentenzahlungen in den Wertpapiermarkt zu leiten. Gleichzeitig wollen sie die Einwanderung von Fachkräften nach dem Vorbild Kanadas und Neuseelands erleichtern.

Vogel und Dürr weisen darauf hin, dass Deutschland zu den Ländern mit der höchsten Bevölkerungsdurchschnittsalterung weltweit gehöre. „Die demografische Entwicklung droht die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaates massiv einzuschränken.“ Menschen, die in der Nachkriegszeit geboren wurden, gehen heute in Rente. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Bevölkerung wächst und die Zahl der Rentner nimmt von Jahr zu Jahr zu. Im Haushalt 2020 musste Deutschland die Pensionskassen erstmals mit mehr als 100 Milliarden Euro subventionieren, 2023 wird dieser Betrag bereits 120 Milliarden Euro erreichen.

image_alt

Evergrande ist mit einem gescheiterten Geschäft dem Zusammenbruch einen Schritt näher

Die Schweiz, Schweden und einige andere Länder haben die „geteilte Rente“ als eine der Säulen ihrer Rentensysteme eingeführt. Vogel und Dürr schlagen vor, dass zwei Prozent der 18,6 Prozent des Bruttogehalts eines Arbeitnehmers, die in Deutschland in die Rentenkasse eingezahlt werden (wovon die eine Hälfte vom Arbeitgeber und die andere Hälfte vom Arbeitnehmer gezahlt wird), in eine „geteilte Rente“ investiert werden sollten.

Es stimmt, dass dieses Modell – das es den weniger wohlhabenden Schichten der Rentner und der breiten Bevölkerung ermöglicht, an den Aktien von Unternehmen auf der ganzen Welt zu verdienen – einige Vorteile hat. Das liegt vor allem daran, dass Aktien langfristig mehr einbringen als konservativere Anlageformen. Das Leben zeigt jedoch, dass Aktienwerte in Zeiten schwerer Krisen auch drastisch fallen können, nämlich um mehr als 40 Prozent. Das haben wir vor nicht allzu langer Zeit erlebt; während der Finanzkrise 2008/2009.

Almeric Warner

"Unternehmer. Professioneller Bacon-Enthusiast. Fällt oft hin. Extrem introvertiert. Analytiker. Denker."

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert