Als es letztes Jahr passierte Angela Merkel Als sich Merkel nach 16 Jahren als Bundeskanzlerin aus dem mächtigsten EU-Mitgliedsstaat verabschiedete, veröffentlichten nahezu alle Medien Artikel darüber, was ihre Fehler waren, was ihre Erfolge und Errungenschaften waren und was ihr Vermächtnis sein würde.
Leichtsinnig Tür und Tor für Massenmigration öffnen
Als ihren größten und fatalsten Fehler bezeichneten viele, vor allem auf der rechten Seite der politischen Arena, die Entscheidung vom Spätsommer und Frühherbst 2015, als sie die Tür für Migranten und Flüchtlinge weit öffnete. Diese kamen dann in Massen und langen Kolonnen über die Balkanroute nach Deutschland und in andere reiche europäische Länder.
Diese Entscheidung hat den einwanderungsfeindlichen Parteien in vielen europäischen Ländern Auftrieb gegeben, auch in Deutschland, wo der AfD bei der Wahl 2017 der Einzug in den Bundestag gelang.
Der Pate des Brexit
Angesichts der unkontrollierten Massenmigration während der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 neigte sich die britische öffentliche Meinung erstmals zugunsten der Befürworter eines Austritts Großbritanniens aus der EU. Man kann also auch sagen, dass sie auf ihre Weise Merkels Patin des Brexit war.
Im Januar 2007 trafen sich Merkel und Putin in seiner Sommerresidenz in Sotschi. Damals brachte Putin auch seinen schwarzen Labrador Koni zum Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin mit. Viele gingen davon aus, dass er dies absichtlich tat, weil er wusste, dass Merkel große Angst vor Hunden hatte und sie erschrecken wollte. Neun Jahre später sagte Putin in einem Interview mit der deutschen Bild, er habe nicht gewusst, dass Merkel keine Hunde mag, und dass er sich später bei ihr entschuldigt habe. Merkel hat seit August 1995 Angst vor Hunden, als sie beim Fahrradfahren plötzlich von einem Hund angegriffen und gebissen wurde. 1995 berichteten die deutschen Medien über den Angriff auf Merkel, die damals deutsche Umweltministerin war.
Auch völlig unterschiedliche Ansichten zur Flüchtlingskrise haben die Kluft zwischen den westlichen und östlichen EU-Mitgliedsstaaten vertieft. Letztere befürworten eine strikte Einwanderungspolitik und sind insbesondere gegen eine obligatorische Umverteilung von Asylbewerbern auf alle Mitgliedsstaaten (also Migrantenquoten).
Die Linke gibt Merkel die Schuld
Im linken politischen Lager wird vor allem ihre Politik während der Euro- bzw. Schuldenkrise kritisiert: Sie sei gegenüber dem bis zum Hals verschuldeten Griechenland zu hart und unerbittlich gewesen.
Während ihrer Amtszeit gab es auch von links Vorwürfe, sie sei zu nachsichtig gegenüber Viktor Orbander in Ungarn einen illiberalen Staat errichtete. Orban war während der Flüchtlingskrise dessen lautstärkster und prominentester Kritiker, was die Beziehungen zwischen den beiden Ländern jedoch nicht verschlechterte.
Deutsche Wirtschaftsinteressen in Ungarn
Die deutsch-ungarischen Beziehungen verschlechterten sich jedoch nicht, hauptsächlich weil Ungarn mit seinen billigen Arbeitskräften und seiner freundlichen Steuerpolitik gegenüber ausländischen Investoren zu einer Art Hochburg deutscher Großkonzerne, insbesondere der Automobilindustrie, wurde. Merkel hat jedoch – genau wie der Durchschnittsdeutsche es von seiner Kanzlerin erwartet – immer die Interessen der deutschen Wirtschaft im Blick gehabt.
Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskyj hat keine besonders gute Meinung von der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin. Er wirft Merkel vor, sie sei durch Zugeständnisse an Putin an Russlands Angriff auf die Ukraine beteiligt gewesen.
Dass Deutschland dabei nur auf seine Wirtschaftsinteressen schaut, ist auch Teil der seit einiger Zeit aus Kiew in Richtung Berlin fliegenden Burgen. Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine hatten Ukrainer, aber auch Amerikaner, vor allem den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 kritisiert.
Deutschlands Energieabhängigkeit von Russland
Nach Ausbruch des Krieges erwarten die Ukrainer vor allem, dass die Deutschen kein russisches Gas, Öl und Kohle mehr importieren und Russland damit wirtschaftlich in die Enge treiben. Natürlich ist das leichter gesagt als getan. Vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine importierte Deutschland 55 Prozent des Gases, die Hälfte der Kohle und 35 Prozent des Öls aus Russland.
Fakt ist, dass Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten sehr gute Wirtschaftsbeziehungen zu Russland aufgebaut hat, die auch durch die westlichen Sanktionen nach der einseitigen Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 nicht gefährdet werden konnten.
Stilllegung von Atomkraftwerken
Hinzu kommt, dass Merkels richtungsweisende Entscheidung vom Juni 2011 – wenige Monate nach der Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima – die Schließung von acht deutschen Atomkraftwerken kurzerhand vornahm und ankündigte, die übrigen Atomkraftwerke bis spätestens 2022 abzuschalten – Deutschland in eine noch größere Energieabhängigkeit von Russland stürzte.
Die deutsche Politik gegenüber Putins Russland, die Merkel seit 2005 verfolgt, war eine Fortsetzung der Politik ihres Vorgängers im Kanzleramt, des Sozialdemokraten Gerhard Schröder. Während Schröders Herrschaft in Deutschland ging Putin mit widerspenstigen Oligarchen in Russland um, konfiszierte ihr Privateigentum und führte den Staatskapitalismus ein. Schröder begann auch mit dem Bau der Gaspipeline Nord Stream 1. Die Idee einer Gaspipeline, die Russland und Deutschland unter der Ostsee verbinden würde, entstand bereits während der Amtszeit von Bundeskanzler Helmut Kohl.
Nach ihrem Abschied aus der Politik im vergangenen Dezember zog sich Merkel aus der Öffentlichkeit und den Medien zurück. Man könnte sagen, sie versank beinahe in der Anonymität. Doch der russische Angriff auf die Ukraine holte sie auf seine Weise aus der Vergessenheit zurück in die politischen Debatten.
Selenskyj fordert Merkel heraus
Vor einigen Tagen wurde Merkel vom ukrainischen Präsidenten herausgefordert Wolodymyr SelenskyjIn der Videobotschaft, die er nach der Aufdeckung russischer Kriegsverbrechen in der ukrainischen Stadt Bucha veröffentlichte, sagte er unter anderem: „Ich lade Frau Merkel und Herrn Sarkozy ein, Bucha zu besuchen und zu sehen, wohin ihre Appeasement-Politik gegenüber Russland in 14 Jahren geführt hat.“
Merkel und der frühere französische Präsident Nicolas Sarkozy nahm am NATO-Gipfel in Bukarest im April 2008 teil, wo aufgrund der Beschwichtigungspolitik gegenüber dem russischen Präsidenten an Wladimir Putin blockierte das Angebot des NATO-Mitgliedschaftsaktionsplans an die Ukraine und Georgien. Dies würde diesen Ländern den Status eines Kandidaten verleihen.
Merkel hält an ihren Beschlüssen von 2008 fest
Merkel, die direkt herausgefordert wurde, reagierte mit einer Botschaft, die ihr Büro an die Öffentlichkeit schickte. Darin heißt es, die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin bestehe auf der Richtigkeit der Entscheidung von 2008, der Ukraine keinen Aktionsplan für die Mitgliedschaft anzubieten.
Das Abschiedstreffen zwischen Putin und Merkel im vergangenen August in Moskau:
In der Botschaft schrieb das Büro der ehemaligen deutschen Kanzlerin auch, dass Merkel die Hilfe für die Ukraine zur Verteidigung gegen einen russischen Angriff voll und ganz unterstütze.
Deutsch-russische Zusammenarbeit
In jedem Fall wird ihre Politik gegenüber Putins Russland in Zukunft auch bei der Bewertung und Beurteilung von Merkels politischem Erbe großes Gewicht haben. Letztere war Russland gegenüber recht sympathisch, und Deutschland betrachtete die Beziehungen zum größten Land der Welt vor allem durch das Prisma wirtschaftlicher Vorteile.
Natürlich kennen sich Merkel und Putin sehr gut, nicht zuletzt, weil sie sechzehn Jahre lang politische Weggefährten waren. Merkel spricht außerdem fließend Russisch, während Putin fließend Deutsch spricht. Im vergangenen August stattete Merkel Putin im Kreml einen Abschiedsbesuch ab, der ihr galant einen Blumenstrauß überreichte.
Merkel setzte Schröders Politik fort
Es ist jedoch anzumerken, dass Merkel lediglich die deutsche Politik gegenüber Putins Russland fortsetzte, die bereits von ihrem sozialdemokratischen Vorgänger umrissen wurde. Gerhard SchröderEr schloss mit den Russen ein Abkommen über den Bau der Gaspipeline Nord Stream 1 und bekam später – natürlich dank Putin – gut bezahlte Jobs in russischen Staatsunternehmen.
Diese prorussische deutsche Politik genoss bis zum russischen Angriff auf die Ukraine eine recht breite Unterstützung in der deutschen Politik. Ein paar Angriffe auf diese Politik kamen nur von den Grünen. So auch der derzeitige deutsche Außenminister Annalena Baerbock schon vor dem Krieg in der Ukraine kündigte er eine weniger günstige Politik gegenüber Putins Russland an.
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