Die langjährige Kanzlerin weiß auch, geduldig auf die Fehler ihrer Gegner zu warten, und ihr Weg zum Sieg ist mit den politischen Leichen derer gepflastert, die sie besiegen wollten. Diese eiserne Regel der jüngsten deutschen Geschichte wird nun von der konservativen bayerischen Politik auf die Probe gestellt, der die Kanzlerin sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene eine starke Flüchtlingspolitik hinterlassen hat. Es sieht noch nicht so aus, als würden Markus Söder und Horst Seehofer die Früchte ihres Anti-Flüchtlingsprinzips ernten, und wenn sie bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern nicht belohnt werden, wird dies erneut beweisen, dass die zentristische Kanzlerin ihr Volk besser kennt.
Zumindest im Westen des Landes lehnt man den österreichischen oder italienischen Nationalismus weitgehend ab, und wer das nicht tut, ist laut zentristischer Konservativer ohnehin verloren. So lassen sich auch die Niederlagen christdemokratischer Gegner der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin bei einigen Landtagswahlen nach 2015 und der aktuelle Aufstieg der Grünen in den Meinungsumfragen erklären. Viele Deutsche wollen die Lehren aus der Geschichte und die Schrecken des vampirischen Nationalismus nicht vergessen.
Diese Lektion wurde in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik weitgehend ignoriert, wo die Schuld für den Nationalsozialismus einfach dem kapitalistischen Westen zugeschoben wurde, und wird auch heute noch von vielen im Osten des wiedervereinigten Deutschlands ignoriert. Das ist auch der Grund, warum dort fast drei Jahrzehnte nach dem Fall der Berliner Mauer die extremen politischen Ideologien der Linken und der Rechten dominieren, und die große Unterstützung sowohl für die Linke als auch für die Alternative für Deutschland (AfD) kann für die Mitte-Konservativen ähnliche Gefahren mit sich bringen wie der Linksruck während der Flüchtlingskrise. Wenn ein erheblicher Teil der rechten Wähler deswegen von der CDU/CSU zur AfD abgewandert ist, bringt das Ausprobieren des Bodens für eine politische Zusammenarbeit mit der Linken jetzt neue Gefahren mit sich.
In der CDU/CSU wird die Einschätzung des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther zu einer pragmatischen regionalen Zusammenarbeit mit dem Nachfolger der ostdeutschen Kommunisten vehement abgelehnt. Man ist sich zunehmend der Gefahr einer schwarzen Version der „Rotstrümpfe“-Affäre aus den 1990er Jahren bewusst, als die Sozialdemokraten für ihren Wunsch nach Zusammenarbeit mit dem Vorgänger der Linken bestraft wurden. Überlegungen zu ähnlichen Rechtsrucken könnten die SPD von Andrea Nahles, die bereits in ihrer dritten großen Koalition mit den Konservativen leidet, dazu veranlassen, die politischen Verhältnisse in Ost und West des Landes neu zu bewerten. Die Sozialdemokraten betrachten auch die Grünen, mit denen die Kanzlerin vor der aktuellen Großen Koalition flirtete, als ihre natürlichen politischen Verbündeten.
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