Europawahl in Deutschland bringt Unruhe in die Regierungskoalition – Megafon

Das vorläufige Ergebnis der Europawahl in Deutschland hat die von den Sozialdemokraten (SPD) geführte Regierungskoalition erschüttert. Die siegreiche Union fordert bereits den Rücktritt von Bundeskanzler Olaf Scholz, während man innerhalb der SPD vor allem auf eine entschiedenere sozialdemokratische Politik setzt.

Die SPD wird die Wahl vom Sonntag wegen ihres historisch schlechtesten Ergebnisses auf Bundesebene in Erinnerung behalten: Sie erreichte 13,9 Prozent der Stimmen. Im neuen Europaparlament wird sie 14 Abgeordnete stellen, zwei weniger als zuvor. Noch mehr enttäuschte die Koalition der Grünen, die im Vergleich zur letzten Europawahl acht Prozentpunkte einbüßte und 11,9 Prozent der Stimmen oder 12 Mandate erhielt. Noch zufriedener mit ihrem Ergebnis war am Sonntagabend der kleinste Koalitionspartner, die FDP, die etwas mehr als fünf Prozent oder fünf Abgeordnete behielt, berichtet das Portal Tagesschau.

Laut dem Ergebnis hatten sie sich bereits am Sonntag mit der Oppositionspartei Union, die mit 30 Prozent der Stimmen als Sieger der Wahl hervorging, deutlich abgefunden. 29 Mandate. CDU-Vorsitzender Friedrich Merz bilanzierte am Sonntag in der Zentrale, das Ergebnis bedeute ein Desaster für die Koalition. So könne es nicht weitergehen. „Das Ergebnis sollte der Regierungskoalition Anlass zum Nachdenken geben. Es ist ein Politikwechsel in Deutschland nötig“, fügte er hinzu.



CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann äußerte sich noch schärfer und forderte Bundeskanzler Scholz auf, dem Bundestag das Vertrauen auszusprechen. „Was wir erleben, ist katastrophal“, sagte er im ZDF. Die Koalition müsse entweder ihre Politik ändern oder Neuwahlen zulassen.

Dem schließt sich auch der Vorsitzende der bayerischen CSU-Schwester Markus Söder an und forderte Scholz heute klar auf, einen ähnlichen Schritt zu gehen, wie ihn der französische Präsident Emmanuel Macron beschlossen hatte, der für Sonntag vorgezogene Parlamentswahlen angekündigt hatte. „Diese Regierung ist praktisch am Ende. Und jetzt muss es ähnlich sein wie in Frankreich“, sagte er. Er sei überzeugt, dass die deutsche Koalition nicht mehr genügend Rückhalt bei den Bürgern habe, weshalb baldige Neuwahlen nötig seien, sagte er gegenüber n-tv.

Personelle Konsequenzen für die SPD seien nach jüngsten Aussagen nicht zu erwarten, man prophezeie vor allem einen Kurswechsel hin zu mehr Klarheit und Sozialdemokratie. „Unsere Anhänger wollen uns kämpfen sehen, auch in den kommenden Haushaltsverhandlungen“, sagte SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil am Wahlabend.

Noch einen Tag später urteilte er im ZDF, die Koalition müsse sich erneut für eine Politik einsetzen, die sich für die Menschen einsetze, damit diese sicherer leben könnten. Zugleich wies er Linnemanns Forderungen zurück, Scholz solle sich im Bundestag einer Vertrauensfrage stellen, denn die SPD sei ein Team, das Herausforderungen gemeinsam lösen werde, berichtet die Nachrichtenagentur dpa.

Die nächste harte Nuss, die die Koalitionsparteien zu knacken haben, werden daher die Verhandlungen über den Haushalt für das kommende Jahr sein, die bis zum 3. Juli abgeschlossen sein sollen. Mehrere deutsche Medien haben der Koalition bereits turbulente Wochen vorausgesagt. Die Grünen werden voraussichtlich eine stärkere Position verteidigen, und die FDP glaubt bereits, dass sie gerade bei den Haushaltsverhandlungen, bei denen sie sich unter anderem entschieden gegen Steuererhöhungen ausspricht, bei den Wählern am meisten punkten kann.

Bei der Europawahl in Deutschland gilt die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) als inoffizieller Sieger, der es trotz mehrerer Skandale in den letzten Wochen gelang, fast 16 Prozent der Stimmen und 15 Mandate zu erringen, also sechs mehr als zuvor. Die AfD zeigte ihre Vormachtstellung vor allem im Osten des Landes, wo im September drei Landtagswahlen stattfinden.

Auch das Linkspopulistische Bündnis (BSW) von Sahra Wagenknecht zog nach dem vorläufigen Ergebnis mit sechs Mandaten ins Europaparlament ein, Linke, Svobodni volitvici und Volt holten jeweils drei Mandate. Zwei bzw. fünf weitere kleinere Parteien erhielten je ein Mandat.

Fast ein Viertel der neugewählten Europaabgeordneten gehört keiner bestehenden Fraktion an. Darunter sind auch die AfD-Abgeordneten, die erst kürzlich aufgrund umstrittener Nazi-Äußerungen aus der rechtsextremen Fraktion Identität und Demokratie (ID) ausgeschlossen wurden.

Deutschland, das mit 96 Abgeordneten die größte nationale Delegation im Europaparlament stellt, verzeichnete am Sonntag eine Rekordbeteiligung: 64,8 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten sich an der Wahl.

Almeric Warner

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