Frank-Walter Steinmeier, der neue deutsche Präsident und ehemalige Außenminister

Ich möchte mutig sein, weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Demokratie keine Resignation dulden kann“, sagt der neue (ab Sonntag, 12. Februar) deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier. Eine gewagte Vorhersage in einer Zeit, in der die Demokratie kurz davor steht, sich selbst zu verschlingen. Steinmeier, einer der dienstältesten Außenminister Deutschlands, ist sich durchaus bewusst, dass die Zeiten nicht einfach sind. Eine Reduzierung der Zahl der Mitglieder der Europäischen Union nach dem Brexit ist nicht mehr undenkbar, das transatlantische Bündnis nicht mehr selbstverständlich und die deutsch-russischen und deutsch-türkischen Beziehungen ähneln einem Tanker mit Panne, in den die eine und die andere Seite gleichzeitig Löcher bohren und versuchen, sie zu stopfen.

Die Frage ist natürlich, inwieweit Steinmeier in einer mehr oder weniger symbolischen Rolle zur Lösung der Probleme beitragen kann, mit denen er sich bisher als Mitglied der Exekutive befasst hat. Einige deutsche politische Kommentatoren sehen ihn in diesen anderen Zeiten als einen weiteren Außenminister, als jemanden, der in der Lage sein wird, mit allen schwierigen Partnern einen Dialog aufzubauen. Dies wird für ihn sicherlich kein Problem sein, da er bereits als Politiker gilt, der auf Dialog und die Suche nach Kompromissen setzt, selbst wenn die Mehrheit bereits aufgegeben hat.

Er gilt auch als pragmatischer Mann, was er in seiner Führung der deutschen Außenpolitik oft deutlich unter Beweis stellte. So befürwortete er einerseits Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine, andererseits plädierte er für den Dialog mit Russland. Eine ähnliche Haltung vertrat er auch im Hinblick auf den Konflikt in Syrien: Ohne Russland werde es keine Lösung geben, war er überzeugt. Aber er verstand es auch, klar und laut Kritik zu üben, etwa an der pauschalen Verfolgung oppositioneller Politiker und Journalisten nach dem gescheiterten Militärputschversuch in der Türkei, selbst als das Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgrund der Abhängigkeit Deutschlands vom Flüchtlingsabkommen mit Ankara eher zurückhaltend war. Pragmatismus und Dialogbereitschaft führten ihn mitunter in eine Lage, in der er sich Kritik und Vorwürfe der Gegenseite fast wie ein Lehrling anhören musste, und die heimischen Medien bezeichneten seine Begegnungen mit schwierigen Gesprächspartnern vom Kreml bis Ankara als Alptraum.

Dialogfinder

Den ersten Reaktionen aus dem Ausland nach zu urteilen, erwarten ausländische Staatsmänner vom neuen deutschen Präsidenten genau das: Dialog. Der russische Präsident Wladimir Putin gratulierte Steinmeier kurz nach seiner Wahl und lud ihn zu Gesprächen nach Moskau ein. Es ist kein Geheimnis, dass Putin mit dem ehemaligen deutschen Präsidenten Joachim Gauck, gelinde gesagt, nicht gut auskam. Gauck mied Reisen nach Moskau und sparte nicht mit Kritik an Putins Politik. Putin erwartet von Steinmeier, dass er dazu beiträgt, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu verbessern. Steinmeier hat bereits erklärt, dass er jede Gelegenheit zum Dialog nutzen werde, auch mit schwierigen Partnern.

Dazu gehört sicherlich der neue US-Präsident Donald Trump, der die bislang mehr oder weniger selbstverständliche transatlantische Partnerschaft auf die Probe stellt, auch im Rahmen der NATO. Und auch im Zusammenhang mit Russland. Oder, wie Steinmeier sagt, es entstehen neue Beziehungen zwischen den USA und Russland, aber es ist noch nicht klar, wohin sie führen werden. Im Wahlkampf nannte Steinmeier Trump einen Hassprediger und verglich seine Politik mit der der Alternative für Deutschland (AfD) und anderer nationalistischer Parteien. Aber nach seinen bisherigen Handlungen zu urteilen, wird er auf die eine oder andere Weise auch mit Trump eine Gelegenheit zum Dialog finden.


Sehr beliebt in Deutschland

Eines ist sicher: Steinmeier hat mehr als genug Erfahrung, um erfolgreich in die Fußstapfen des Präsidenten zu treten. Zudem ist er bei den Deutschen aufgrund seiner Ruhe und Besonnenheit äußerst beliebt. Man wird ihn weder schreien noch einen Zirkus anzetteln hören. Andererseits hält er sich an die Regel, dass es in der Politik nicht ratsam ist, mit leeren Drohungen zu hantieren. Steinmeier mag in diesen unsicheren Zeiten als Staatsoberhaupt fast wie eine untergenutzte Ressource erscheinen. Er begann seine politische Karriere mit Hilfe des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, der ihn nach seiner Wahl nach Berlin einlud. Bald übernahm er die Führung seines Kabinetts und wurde Schröders enger Vertrauter und ein wichtiger Mitgestalter der Ausrichtung seiner Regierung. Er soll eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Arbeitsmarktreformen gespielt haben, die die deutsche Wirtschaft wiederbelebten, Schröder und die SPD jedoch eine neue Amtszeit als Kanzler kosteten. Wegen seiner Arbeit hinter den Kulissen hat sich Steinmeier den Spitznamen „graue Effizienz“ verdient.

Zur Überraschung vieler (aufgrund seiner engen Verbindungen zu Schröder) wurde er in Angela Merkels erster Regierung Außenminister, wo er wahrscheinlich auch in der zweiten Amtszeit geblieben wäre, wenn die SPD nicht bei den Wahlen dramatisch abgestürzt wäre, und zwar ausgerechnet mit Steinmeier als Kanzlerkandidat. Hat er sich überstürzt in den Kampf um die Kanzlerschaft gestürzt und seine Chance auf das Amt verspielt? Viele politische Kommentatoren erwarten, dass Steinmeier seiner Amtszeit sichtbare Spuren hinterlassen wird. Sie können sich nur schwer vorstellen, dass ein Mann, der seine gesamte politische Karriere hinter den Kulissen oder sogar auf der Bühne damit verbracht hat, die Berliner Politik mitzugestalten, plötzlich zurücktreten und sich mit Höflichkeitsbesuchen und Reden begnügen würde.

Man erwartet, dass er vereinigend und proeuropäisch wirken wird. Auf seinem politischen Weg hat er sich das Vertrauen oder zumindest den Respekt von Politikern aus aller Welt verdient; selbst aus der Führung der bayerischen CSU kommen warme Worte. Gleichzeitig gilt er aber auch als einzigartig, sodass man nicht erwarten kann, dass er die Funktion nicht seinem Charakter anpasst.

Geboren wurde er 1956 im nordrhein-westfälischen Detmold. Er schloss sein Jurastudium ab, doch statt der Justizkorridore begann er, die politischen Korridore zu durchstreifen. Er begann als Medienbeauftragter in Schröders niedersächsischer Landesregierung, nach seiner Wahl zum Kanzler setzte er seine Karriere in Berlin fort. Unter anderem überwachte er auch die Geheimdienste, und aus dieser Zeit stammen die Vorwürfe über seine umstrittene Rolle in der Affäre um die Bespitzelung deutscher Staatsbürger und die Weitergabe von Informationen an amerikanische Partner. Steinmeier hat in allen Anhörungen stets abgestritten, etwas von diesen Aktivitäten gewusst zu haben. Er ist mit der Richterin Elke Büdenbender verheiratet, mit der er eine Tochter, Merit, hat. Mit seiner Frau tritt er selten in der Öffentlichkeit auf, über sein Privatleben ist wenig bekannt.

Seine Entscheidung, sich 2010 vorübergehend aus der Politik zurückzuziehen, als er seiner Frau eine Niere spendete, stieß in der Öffentlichkeit auf großes Echo. Die Medien feierten ihn als Helden.



Almeric Warner

"Unternehmer. Professioneller Bacon-Enthusiast. Fällt oft hin. Extrem introvertiert. Analytiker. Denker."

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