#Interview Dr. Hans-Ludwig Buchholz: Wähler für die rechtsextreme AfD gäbe es auch nach einem möglichen Parteiverbot

Gefährlicher ist die Meinungsflucht der rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland (AfD), die in den Umfragen bereits auf Platz zwei liegt (22 Prozent). Gleichzeitig entstehen an beiden politischen Rändern neue Parteien, die die Wählerbasis etablierter Parteien beschneiden könnten. Die linke Bewegung der Populistin Sahra Wagenknecht hat gut zwei Wochen nach ihrer offiziellen Gründung bereits 7 % Unterstützung. Am rechten Rand wandelt sich die Wertevereinigung zur Partei, die mit ihren Mitgliedern im vergangenen Dezember an einem Treffen rechtspopulistischer Politiker und Finanziers teilnahm, bei dem über die Möglichkeit der Ausweisung von Ausländern aus Deutschland diskutiert wurde, und löste damit einen Konflikt aus Verschärfung der Debatte um ein Verbot der AfD. Wir haben mit Dr. über die Dynamik im deutschen politischen Raum gesprochen. Hans-Ludwig Buchholz, Politikwissenschaftler und Leiter des Frank-Loeb-Instituts.



Warum wurden Randparteien wie die Bewegung von Sahra Wagenknecht und das Wertebündnis zu so wichtigen Akteuren auf der deutschen politischen Bühne?

Ob diese Parteien tatsächlich Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten. Die Idee, dass die Werteunion als eigenständige Partei auftritt, ist noch sehr neu. Es kann vorkommen, dass es sehr schnell wieder verschwindet. Auch Sahra Wagenknechts bisherige Versuche, eine eigene Bewegung zu gründen, waren sehr erfolglos. Doch Umfragen zeigen mittlerweile großes Potenzial für ihre neue Partei.

Die etablierten Kunden haben mittlerweile Angst vor diesen Newcomern. Der Erfolg der AfD und die Ereignisse in anderen Ländern haben gezeigt, wie aufgeschlossen die Wähler gegenüber populistischen und extremistischen Parteien sind. Auch müssen diese neuen Parteien nicht besonders groß sein, um Einfluss auf die politische Landschaft in Deutschland zu nehmen. Sobald sie mehr als fünf Prozent erreichen, gelangen sie in die Landesparlamente und den Bundestag. Und je mehr Parteien es gibt, desto schwieriger wird es, stabile Koalitionen zu bilden. Je mehr kleine Parteien im Parlament vertreten sind, desto schwieriger wird es für die großen Parteien, mit geeigneten Partnern aus ihrem Lager zu regieren. So entstehen Koalitionen, etwa eine Große Koalition (CDU/CSU und SPD, a. a.) oder eine Ampelkoalition (SPD, Grüne und FDP, a. a.), die zu Wählerunzufriedenheit führen können.



Warum verändert sich die Parteienlandschaft in Deutschland?

Wie in den meisten westlichen Ländern sind auch in Deutschland populistische und extremistische Parteien auf dem Vormarsch. Zudem können die größten Parteien nicht mehr die Unterstützung breiter Bevölkerungsschichten gewinnen. Die Probleme unserer Zeit wie Klimawandel, demografischer Wandel und Migration erfordern fortschrittliche politische Entscheidungen. Gleichzeitig ist ein großer Teil der Bevölkerung konservativ und kann sich mit diesen dringenden Entscheidungen nicht abfinden. Deshalb ziehen neue, populistische Parteien leichter Wähler an.

Es ist typisch für Deutschland, dass die derzeitige sogenannte Ampelregierung sehr unpopulär ist. Dies hängt zunächst einmal damit zusammen, dass die Regierung zu einigen wichtigen Themen, beispielsweise dem Heizgesetz und der Kürzung der Subventionen für Landwirte, sehr schlecht kommuniziert hat. Gleichzeitig sind die Parteien in dieser Regierung sehr unterschiedlich. Die wirtschafts- und sozialpolitisch eher linksgerichteten SPD und Grünen koalieren mit der konservativen FDP. Deshalb kommt es immer wieder zu grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten, zahlreichen Kontroversen und schmerzhaften Kompromissen. Und mit einer starken AfD, mit der niemand regieren kann oder will, werden seltsame Koalitionen, sowohl links als auch rechts, immer wahrscheinlicher.



Sahra Wagenknechts Partei soll der Linken, der Rechten und der AfD Wähler wegnehmen. Wie ist es möglich, dass dadurch so vielen verschiedenen Parteien Wähler entzogen werden?

Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Vorhersagen der Meinungsforschungsinstitute tatsächlich bewahrheiten. Auf jeden Fall ist Wagenknechts Partei aufgrund ihres populistischen Charakters für ein breites Wählerspektrum attraktiv. Sahra Wagenknecht vereinfacht die Dinge radikal und kann so Menschen mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen ansprechen. Sie bezeichnet sich selbst als linkskonservativ, was bedeutet, dass sie wirtschaftlich linke Ansichten mit gesellschaftspolitisch konservativen Ansichten verbindet. Er befürwortet beispielsweise höhere Mindestlöhne und ist gegen Flüchtlinge. Obwohl dies oft widersprüchlich ist, klingt es gut. Darüber hinaus lehnt Wagenknecht die Einwanderung ohne den rechtsextremen Ruf ab, der der AfD zu Recht zugeschrieben wird.



Was bedeutet es für die CDU/CSU, dass sich die ihr nahestehende Werteunion in eine Partei wandelt?

Es ist zu früh, darüber zu sprechen. Ich vermute, dass die Werteunion scheitern wird. Nur wenn die AfD verboten wird, wird es Platz für eine neue rechtsextreme Partei geben.



Warum wird es scheitern?

CDU und CSU sind unter der aktuellen Führung von Friedrich Merz und Markus Söder zuletzt deutlich konservativer geworden. Der Grund dafür liegt in Friedrich Merz. Allerdings ist es auch eine Reaktion auf die verlorene Wahl. Darüber hinaus kann die CDU/CSU in der Opposition deutlich konservativer auftreten als in einer großen Koalition mit einem sozialdemokratischen Partner.

Die AfD ist in Meinungsumfragen derzeit extrem stark. Auch wenn sie stark nach rechts gerückt ist – noch stärker als ohnehin schon –, scheint das den Wählern nichts auszumachen. Zwischen AfD und CDU/CSU ist einfach kein Platz für eine neue Partei. Wähler können die konservativer gewordene CDU wählen oder, wenn sie es noch rechter wollen, die rechtsextreme AfD wählen.



Wird sich die deutsche Politik für ein Verbot der AfD entscheiden? Es gibt sowohl Befürworter als auch Gegner eines solchen Schritts. Was ist Ihrer Meinung nach besser?

Ein Verbot der AfD wird derzeit heftig diskutiert. Wichtig zu wissen ist, dass es in Deutschland möglich ist, einen Kunden zu sperren, allerdings sind die Voraussetzungen für eine solche Maßnahme sehr hoch. Der Partei muss deutlich gemacht werden, dass sie erfolgreich gegen die freiheitliche und demokratische Ordnung Deutschlands kämpft. Es besteht daher die Gefahr, dass das Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass die AfD eine rechtsextreme Partei ist, aber nicht rechts genug, um verboten zu werden. Die AfD könnte ein solches Urteil zu ihrem Vorteil nutzen. Gleichzeitig besteht aber auch das Problem, dass es auch nach einem möglichen Verbot AfD-Wähler geben würde, die bereit sind, für die rechtsextreme Partei zu stimmen.

Langfristig würde ein Verbot der AfD das Problem des Rechtsextremismus kaum lösen. Daher gehe ich davon aus, dass der Antrag auf einstweilige Verfügung nicht gestellt wird. Das Risiko ist zu groß und der Nutzen letztendlich gering. Ich kann mir vorstellen, dass sie sich stattdessen für ein milderes Instrument entscheiden, etwa ein Verbot der AfD-Jugendorganisation, den Ausschluss von AfD-Mitgliedern aus dem öffentlichen Dienst oder die Beendigung der staatlichen Finanzierung der Partei.



Am vergangenen Wochenende protestierten rund 1,4 Millionen Menschen gegen die AfD und für die Demokratie in Deutschland. Wie kam es dazu, dass die AfD in Meinungsumfragen mit rund 22 % Unterstützung auf Platz zwei landete? Ist jeder vierte deutsche Wähler radikalisiert?

Sicherlich sind nicht alle AfD-Wähler rechtsradikalisiert. Darunter sind auch viele Protestwähler, die ihren Unmut über die aktuelle Politik der Bundesregierung zum Ausdruck bringen wollen. Einige wurden sicherlich durch die eigenen Aussagen der AfD in die Irre geführt, sie sei keine rechtsextreme, sondern lediglich eine sehr konservative Partei. Unter vielen Einwohnern Deutschlands kristallisieren sich jedoch zunehmend rechtsextreme Ansichten heraus. So zeigt beispielsweise eine bekannte Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung seit mehreren Jahren, wie die Zustimmung zu nationalistischen, antisemitischen und rassistischen Einstellungen zunimmt. Davon profitiert eindeutig die AfD.

Almeric Warner

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