Michail Chodorkowskieinst der reichste Russe, nun aber seit einem Jahrzehnt im Exil, ein scharfer Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putinsagte er in einem Interview für Deutsch Spiegel besprach die Situation in seinem Heimatland, Pater Jewgeni Prigoschin und der Autokrat, der im Kreml regiert und sich nicht um Menschenleben kümmert. Er ist davon überzeugt, dass Putin nicht auf friedlichem Weg besiegt werden kann, im Gegenteil: „Es gibt keine andere Lösung, als zu den Waffen zu greifen.“ Mit friedlichen Demonstrationen kann man nichts erreichen, denn es ist ein Regime, das zum Schießen bereit ist. „Es ist ganz offensichtlich, dass für Putin ein Leben, hundert oder 10.000 Menschenleben nichts im Vergleich zu Macht bedeuten.“
Auf die Frage, warum er Jewgeni Prigoschins Marsch gegen Moskau unterstütze, antwortete er, dass er nicht den Rebellen persönlich, sondern seinen Aufstand unterstütze. „Ich sage nicht, dass Prigoschin besser als Putin ist, aber er ist auch nicht schlechter als er.“ Beide seien Mitglieder einer Bande, beide seien Schläger, sagt er. Er ist davon überzeugt, dass die demokratischen Kräfte nach Putins Flucht aus Moskau bei besserer Vorbereitung die Macht hätten übernehmen können. Wenn 10.000 oder 15.000 friedliche Demonstranten zu einfachen Waffen gegriffen und Regierungsgebäude und Kommunikationszentren erobert hätten, hätten sie Erfolg haben können. Bei einem solchen Aufstand würde es kaum oder gar kein Blutvergießen geben. Davon ist er überzeugt, weil die russische Gesellschaft sehr apathisch ist.
Operečnik versucht nun, Kollegen aus der demokratischen Opposition davon zu überzeugen, dass der Aufstand, der tatsächlich gefährlich war, auch eine Chance darstellte. „Ich glaube, dass es mehr solcher Veranstaltungen geben wird, aber sie müssen sie besser nutzen.“
Der 60-jährige Chodorkowski, der einst den Yukon, den größten Ölkonzern der Welt, leitete und der 16. reichste Mann der Welt war, weiß, wovon er spricht. Putin ging gnadenlos mit ihm um. Als der Oligarch sich für Politik interessierte und es wagte, Korruption zu kritisieren, ließ Putin ihn wegen Unterschlagung und Steuerhinterziehung für zehn Jahre inhaftieren. Sein Unternehmen ging bankrott und der Rest wurde verstaatlicht. Chodorkowski bestritt alle Vorwürfe, viele sind überzeugt, dass es sich um einen politisch motivierten Vorgang gehandelt habe. Als Putin ihn 2013 begnadigte, verließ er Russland sofort. Mittlerweile lebt er in London und leitet die Institution Open Russia, die er in seiner Heimat zur Stärkung der Zivilgesellschaft gegründet hat. Unter seiner Schirmherrschaft werden regelmäßig Untersuchungsberichte über Korruption und Missbräuche in Russland veröffentlicht.
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