Die deutsche Politik wälzt sich aufgrund falscher Energie- und Außenpolitik der letzten Jahre, ja Jahrzehnte, in Trümmern. „Es ist schwer zu verstehen, wie wir so blind sein konnten“, sagte der Wirtschafts- und Klimaminister bei der Eröffnung der internationalen Konferenz zur Energiewende in Berlin. Robert HabeckDie deutsche Politik habe vernachlässigt, so Habeck, dass Energiepolitik nicht von Außenpolitik zu trennen sei und auch Machtpolitik sei. „Wir haben dem Projekt Nord Stream 2 bereits zugestimmt, nachdem Russland Georgien angegriffen und die Krim besetzt hatte“, bezeichnete Minister Habeck dies als politische Fehlentscheidung.
Eine derart deutliche Verurteilung der bisherigen deutschen Energiepolitik ist aus dem Mund deutscher Spitzenpolitiker selten zu hören. Annalena Baerbockdas vor einer Woche eine radikale Umgestaltung der deutschen Außenpolitik angekündigt hatte, darunter die Stärkung der Rolle Deutschlands in Krisengebieten und die Stärkung der militärischen Fähigkeiten, kündigte an, dass Deutschland die Energiewende nun als Garantie der nationalen Sicherheit wertschätzen werde. „In Europa wussten wir spätestens seit 2014, dass wir unsere Energieressourcen diversifizieren müssen, die Strategie war fertig, aber wir haben sie nicht umgesetzt“, räumte Ministerin Baerbock ein und fügte hinzu, dass Deutschlands Ziel nun die völlige Unabhängigkeit von russischen Energiequellen sei.
Außenministerin Annalena Baerbock sagte, Deutschland dürfe in der Außenpolitik keine schmutzigen Deals mehr machen. FOTO: Bernd Von Jutrczenka/AFP
Darüber hinaus verknüpfte Minister Habeck in seiner kraftvollen Rede Energie- und Außenpolitik auf realistische politische Weise und sagte, sie seien untrennbar miteinander verbunden. Energiepolitik bedeute auch Sicherheitspolitik, Interessenpolitik und internationale Beziehungen, so Habeck. Damit widersprach er eindeutig den Ansichten der Regierungen des ehemaligen Bundeskanzlers. Angela Merkelsowie der aktuelle Bundeskanzler Olaf Scholzder bis zum russischen Einmarsch in die Ukraine darauf beharrte, dass die Gaspipeline Nord Stream 2 ein ausschließlich wirtschaftliches und keineswegs ein politisches Projekt sei. Es scheint, als sei die deutsche Politik endlich aus dem Langzeitschlaf des politischen Pragmatismus erwacht, der nur kurzfristig Ergebnisse brachte.
Scholz glaubt Ökonomen nicht
Ministerin Baerbock sagte, dass Deutschland seine Energiepolitik von nun an Hand in Hand mit einer Außenpolitik führen werde, die auf modernen Werten basiert. „Wir können keine schmutzigen Geschäfte für die Energiewende machen“, betonte die Ministerin und hob Demokratie und Menschenrechte hervor. Ob Deutschland in der Lage sein wird, eine solche Außen- und Energiepolitik zu führen, ist fraglich. Tatsächlich besuchte Minister Habeck kürzlich arabische Länder mit dem Ziel, zusätzliche Lieferungen von Energieprodukten zu sichern, wo moderne Menschenrechte routinemäßig verletzt werden und Demokratisierung nicht auf der Prioritätenliste der Staats- und Regierungschefs steht.
Minister Habeck überschrieb den Zusammenbruch der Energiepolitik mit der Aussage, dass sowohl Deutschland als auch Europa die Fehler der Vergangenheit heute besonders dramatisch spüren. Nach den neuesten Daten gelang es Deutschland, seine Abhängigkeit von russischem Gas in wenigen Monaten von 55 auf 40 Prozent zu reduzieren, aber trotz des Krieges in der Ukraine will es einem Embargo auf den Import von Energieprodukten aus Russland nicht zustimmen. Und das, obwohl eine Reihe von Ökonomen berechnet haben, dass die deutsche Wirtschaft einem solchen Embargo standhalten würde, selbst wenn das Bruttoinlandsprodukt um bis zu drei Prozent sinken würde. Erinnern wir uns daran, dass die Coronavirus-Epidemie die deutsche Wirtschaft viel stärker getroffen hat – das BIP sank um mehr als fünf Prozent. In einem kürzlichen einstündigen Gespräch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen warf Bundeskanzler Scholz den Ökonomen sogar vor, nicht zu wissen, wovon sie sprechen, und dass ihre Berechnungen falsch seien, da sie auf fragwürdigen Modellen basieren. Ökonomen, die an den Prognosen beteiligt waren, sind empört und haben dem Kanzler vorgeworfen, Misstrauen in den Beruf zu säen, ähnlich wie der Beruf der Epidemiologen während der Coronavirus-Pandemie angegriffen wurde. Zudem wird der Bundeskanzlerin vorgeworfen, dass sie den Gaslobbyisten mehr Glauben schenkt als den Wirtschaftsexperten.
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