Magische Kontroverse mit Opera Convention

Die rheinische Inszenierung der Oper von Georg Friedrich Händel Julius Cäsar in Ägypten1724 im Londoner Theatre Royal uraufgeführt, ist ein Beispiel für eine einfallsreiche Antwort auf die Frage, wie man die Oper heute als Institution und Kunstwerk pervertieren und polemisieren und gleichzeitig einen kreativen Dialog mit ihnen pflegen kann.

Einer der einflussreichsten Schöpfer der Musikgeschichte vereinte in seinen Werken drei Kulturen – Deutsch, wo er geboren wurde, Italienisch, wo er ausgebildet wurde, und Englisch, wo er die meisten seiner Werke schuf. Er schrieb allein mehr als vierzig Opern. Julius Cäsar in Ägypten, eine Oper in drei Akten mit mehr als dreißig Arien, gehört zu seinen anspruchsvollsten. Sein historischer Hintergrund ist Julius Cäsars Reise nach Ägypten im Jahr 48 v. Chr. Chr., als er in den Thronkampf zwischen dem ägyptischen König Ptolemaios und seiner Schwester Kleopatra verwickelt war und auch eine Liebesbeziehung mit Kleopatra hatte – in der Interpretation des Librettisten ewig und alle Schwierigkeiten überwindend.

Aufführung des Kroatischen Nationaltheaters Ivan pl. „Zajc iz Reka“ wurde vom Theaterdirektor dramaturgisch und inszeniert vorbereitet Marin Blažević und ein ehemaliger Quartiermeister, ebenfalls ein hier tätiger kroatischer Regisseur Oliver Frljic. Er beteuerte, sein Beitrag sei rein symbolischer Natur, dennoch ist seine Urheberschaft im Stück nicht zu übersehen – typische raffinierte und scheinbar sehr einfache Regielösungen, dezente und filigrane „Fußnoten“ und Bedeutungen „zwischen den Zeilen“. Das kreative Tandem machte sich an die Arbeit Julius Caesar als klare und witzige Permutationen theatralischer Illusion. Dies kommt offenbar vor allem im Kontext der Gattung Oper als emotionsgeladenem und pathetischem „Musik- und Tanzdrama“ besonders gut zur Geltung.

Aus Ernüchterung zur Illusion und zurück

Eine Gruppe von Menschen in Alltagskleidung betritt die Bühne, die als staubiges Lager ausgedienter szenischer Elemente oder als Ruinen der alten Welt fungiert. Sie bringen Stühle und Notenständer mit. Der Auftritt beginnt wie eine Probe, bei der kein großer Einsatz zu spüren ist. Während sich dem Zuschauer die Hauptfiguren der Oper offenbaren, telefonieren ihre Imitatoren, machen Selfies, essen, kommunizieren mit dem Dirigenten … Als würden sie darauf warten, dass das Ganze so schnell wie möglich vorübergeht. Irgendwann erscheint eine Garderobe auf der Bühne und zieht lässig ein Julius-Caesar-Kostüm an. Von hier an bis zum Ende des ersten Akts verwandelt sich die Aufführung diskret in eine authentische Opernillusion.

Im zweiten Akt erwachen die angestaubten szenischen Elemente zu realer, zunehmend barocker Theaterszenografie (Dalibor Laginja, Marin Blažević), wenn auch vom Ausdruck her nicht barock – auf der Bühne verflechten sich antike Säulen, leere Bilderrahmen, Statuen von Heerführern und Tieren, Symbole aus mehreren historischen Epochen und dergleichen. Das gleiche passiert mit Kostümen (Sandra Dekanic), die reich barock und gleichzeitig ausgesprochen modern sind.

Doch trotz der Erwartungen an die Aufführung liefern die beiden Regisseure keine originalgetreue Aufnahme der Barockoper, sondern zitieren und kommentieren ihre einzelnen Elemente eklektisch und spielerisch. Mit räumlichen Projektionen (Igor Crnković), horizontale und vertikale Bewegungen der Szenografie, durch die ständig Sand/Staub gestreut wird, und raffiniertes Licht (Dalibor Fugošić) erweckt so vor dem Betrachter einen hervorragend ästhetisierten Bühnenraum zum Leben, der eine völlig magische, suggestive und spielerische Theaterillusion erzeugt, in der sich tragische Szenen mit ironisch-komischen abwechseln und beide ständig in Gefahr sind, von manchen verwechselt zu werden Art Reiseeffekt. Und daran mangelt es nicht. Dazu gehört die Nutzung des Saals durch die Schauspieler, wobei der erste Balkon eine Hilfsbühne, der zweite Balkon eine Bühne für den Chor und das Erdgeschoss ein ganz normales Erdgeschoss für die Schauspieler ist, wenn sie Zuschauer werden.

Starker schauspielerischer Ausdruck

Den beiden Regisseuren ist es hervorragend gelungen, die Balance zwischen dem, was wir sehen, und dem, was wir hören, zu wahren. Auch wenn wir Zeuge emotional erhabener, statisch inszenierter Arien werden, wenn wir der Musik am nächsten sind, sind wir gleichzeitig tief im Theater – im Drama. Und wieder, wenn die theatralische Illusion am stärksten zu sein scheint, geradezu blendend, wird immer ein Detail angeboten, um sie zu erschüttern – aber nicht, um sich darüber lustig zu machen, sondern um sie/uns zum Lachen zu bringen. Im letzten Akt gibt es immer mehr solcher Details, die Illusion zerplatzt, bis wir uns am Ende wieder im „Hier und Jetzt“ befinden – auf der Bühne des Lebens, flüchtig, klein und sterblich. Und doch völlig einzigartig.

Ein besonderer Platz in der Produktion, in der fast hundert Mitglieder des Rijeka-Opernorchesters und des Opern- und Ballettensembles auftreten, kommt sicherlich den Interpreten, insbesondere den Solisten, zu. Obwohl wir statische, bewegungs- und mimikrysteife Opernsänger heute nicht mehr gewohnt sind, zeigten die Solisten aus Rijeka neben ihrer musikalischen Exzellenz ein so hohes Maß an Bühnenausdruck, dass man sie am treffendsten mit dem bezeichnen würde Deutsches Wort für Schauspieler – Schauspieler. Weil es aus dem Wort geprägt ist Suchenwas sowohl „Ausstellung“, „Angeberei“, „Spiel“ und „Show“ als auch „Sehen“ und „Aspekt“ bedeutet, es könnte aber auch mit „Ausstellung“ oder auch „Vorführung des Spiels“ übersetzt werden gleichzeitig ist es „Sehen/Aspekt“.

Die schauspielerische Kraft der Solisten bleibt in keiner Weise hinter der Kraft der Musik oder der „dramatischen“ und „lyrischen“ Bühnenillusion zurück. Als Solist Sonja Runje Sie singt eine der Arien, während sie fünf Meter über der Bühne Akrobatik auf zwei Seidenbändern vorführt, es scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein.

Die von Händel für den Kastraten geschriebenen Rollen von Julius Cäsar und Ptolemaios werden bei ihrem Rijeka-Debüt von einer Frau gesungen: der Heerführerin und Geliebten Cäsars Diana Haller, ein aufstrebender Star der europäischen Opernbühnen, Ptolomje alias Sonja Runje. Sie übernehmen andere Rollen Anamarija Knego (Kleopatra), Ivana Srbljan (Cornelia), Olga Kaminska (Niren), Marco Fortunato (Sext), Dario Bercich (Achilles) und Slavko Sekulić (Neugier). Die Solisten wurden zusammen mit dem Orchester von einem finnischen Komponisten, Pianisten und Dirigenten geleitet (und spielten gleichzeitig das Cembalo!). Villa Matvejeffder Hauptgastdirigent und Musikberater des Theaters in Rijeka, der sich offensichtlich komplementär in das Konzept der beiden Regisseure einfügte – stets souverän als einer der Hauptdarsteller der Inszenierung agiert.

Sag es Julius Cäsar in Ägypten inklusive zweier Pausen dauert es, wie es sich für Barockopern gehört, gut vier Stunden, ohne dreieinhalb Stunden. Dies war am Ende der Vorstellung noch nicht einmal im Saal bekannt. Es folgten ein wohlverdienter zehnminütiger Applaus und stehende Ovationen.

Hildebrand Geissler

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