Tolles Bier, gebraut von den Großeltern

Zunächst ein Witz, entwickelte sich daraus ein innovatives Projekt: Die Bewohner und Mitarbeiter des Wiener Pflegeheims Hiša Atzgersdorf brauen jährlich rund 6.000 Flaschen Bier. Die Bewohner beteiligen sich am gesamten Prozess, denn das Bierbrauen gehört zur Betreuung, zur Förderung der Zusammenarbeit und zum Erhalt der Motorik. Es spricht nichts dagegen, wenn ein Etikett auf der Flasche zerknittert oder seitlich verklebt ist.

In weniger als drei Jahren wurden Oma- und Opa-Biere erkennbar. FOTO: Philipp Horak/Kwp

Im März dieses Jahres wurde im Pflegeheim Atzgersdorf eine umgebaute Brauanlage eröffnet, die künftig 12.000 Flaschen Bier pro Jahr brauen kann, eine Flasche mehr als bisher. Aber mehr als die Daten über ihre Produktionskapazität und ihren Absatz ist es wichtig, dass das Bierbrauen in diesem Heim zu einer unterhaltsamen und nützlichen Freizeitbeschäftigung geworden ist, mit der sich die Bewohner die Zeit vertreiben, ihre motorischen Fähigkeiten erhalten, sich engagieren Gemeinschaft und fördern das Gemeinschaftsgefühl. Es ist ähnlich wie in einigen anderen Häusern in Österreich, wo sie ihren eigenen Honig anbauen, Kräutermischungen, Walnüsse zubereiten, Kuchen und Süßigkeiten backen. Allen gemeinsam ist, dass auch die Bewohner am Entstehungsprozess dieser Produkte teilhaben.

Ležak ​​​​wird nach einem alten Rezept aus dem Jahr 1841 gebraut. FOTO: Sarah Bruckner

Ležak ​​​​wird nach einem alten Rezept aus dem Jahr 1841 gebraut. FOTO: Sarah Bruckner

Darunter sind auch Menschen mit Demenz

Mit dem Umbau wird das Haus Atzgersdorf auch über Räume für Verkostungen und Veranstaltungen verfügen.  FOTO: Derenko

Mit dem Umbau wird das Haus Atzgersdorf auch über Räume für Verkostungen und Veranstaltungen verfügen. FOTO: Derenko

Die Anfänge des Brauens im Pflegeheim Atzgersdorf reichen bis ins Jahr 2020 zurück, als ein neues Projekt der Bewohnerinnen und Bewohner erprobt wurde. Alle Bewohnerinnen und Bewohner können sich am Brauprozess beteiligen, auch Menschen mit Demenz, denn das Ziel ist, sie in die Gemeinschaft einzubeziehen und ein wichtiges Erfolgserlebnis zu erleben. Zusammen mit dem Brauer nehmen die Bewohner am gesamten Prozess der Bierherstellung teil: Gemeinsam mahlen und maischen sie das Malz, sorgen für die passende Temperatur und gären das Bier. Die Bewohner des Heims kümmern sich auch um die Etikettierung der Flaschen, und Perfektion ist nicht wichtig, aber es ist vollkommen akzeptabel, wenn ein Etikett etwas schief oder zerknittert ist. All dies trägt nur zu ihrer Authentizität bei.

Lagerbier wird nach einem alten Rezept gebraut, das 1841 in Schwechat perfektioniert wurde. „Mit seinem wunderbaren Malzkörper und den feinen Hopfenaromen passt er auch perfekt in den 23. Bezirk mit langer Brautradition“, so Atzgersdorf. Sie brauen vier Biersorten: Das Lager heißt Oma (Oma) und Opa (Großvater), und das helle Bier ist Hellmut und Hellga.

Es spricht nichts dagegen, wenn die Flaschen am Ende nicht die gleichen sind wie in der industriellen Produktion.  FOTO: Sarah Brückner

Es spricht nichts dagegen, wenn die Flaschen am Ende nicht die gleichen sind wie in der industriellen Produktion. FOTO: Sarah Brückner

Auch Bewohner mit Demenz werden in den Brauprozess eingebunden.  FOTO: Sarah Brückner

Auch Bewohner mit Demenz werden in den Brauprozess eingebunden. FOTO: Sarah Brückner

Bisher haben sie rund 15.000 Flaschen mit ihrem Bier abgefüllt, etwa 6.000 pro Jahr. Es ist in 30 Altenheimen erhältlich, und jetzt können Oma-, Opa-, Hellmut- und Hellga-Biere auch in allen 150 Wiener Seniorenclubs bestellt werden, wo sie verschiedene Aktivitäten organisieren. Mit der diesjährigen Renovierung hat Atzgersdorf auch einen Verkostungsraum und einen Ort für Feste für Heimbewohner, Mitarbeiter und Senioren aus der Umgebung bekommen, wo sie selbstverständlich ihr Bier ausschenken werden. Im Herbst planen sie zudem die ersten Brauereiführungen.

Bewohner und Mitarbeiter des Heims beteiligen sich am Bierbrauen.  FOTO: Sarah Brückner

Bewohner und Mitarbeiter des Heims beteiligen sich am Bierbrauen. FOTO: Sarah Brückner

Das Rezept ist kein Geheimnis

„Was als Witz begann, hat sich vor einigen Jahren zu einer bemerkenswerten Geschichte entwickelt. Es ist wirklich schön zu sehen, dass die Mitarbeiter die Ideen der Bewohner ernst nehmen und daraus etwas Wunderbares entsteht. Durch den Umzug in ein Seniorenheim, Menschen geben all ihre Ideen, Leidenschaften und Lust am Spaß nicht auf!“Oma- und Opa-Biere sind fast schon legendär und richtig lecker“, sagt Peter Hacker, Wiener Gesundheitsminister und Präsident des Kuratoriums der Wiener Pflegeheime.

Oma, Opa, Hellmut und Hellga sind auch außerhalb der Heimat bekannt.  FOTO: Sarah Brückner

Oma, Opa, Hellmut und Hellga sind auch außerhalb der Heimat bekannt. FOTO: Sarah Brückner

Die letztjährige Anerkennung hat wohl auch dazu beigetragen, dass das Bier aus dem Pflegeheim Atzgersdorf in so kurzer Zeit wiedererkennbar wurde. Zeitschrift Falstaff, mit einer Auflage von rund 150.000 Exemplaren das größte Wein-, Food- und Reisemagazin im deutschsprachigen Raum, kürte Atzgersdorf im vergangenen Jahr zur drittbeliebtesten Kleinbrauerei Wiens. „Wasser, Hopfen, Hefe, Malz und viele Lebenserfahrungen: Das sind die Zutaten von Omas und Opas Bier aus dem Hause Atzgersdorf“, schreiben sie in der Mitteilung. Das Rezept, was wir für den Brautag ihres ausgezeichneten Bieres brauchen, sei kein Geheimnis, heißt es im Haus Atzgersdorf: „Wir brauchen acht Werke von eifrigen heimischen Händen, drei verschiedene Maße, 68 Liter Wiener Wasser, zehn Kilogramm Wiener Malz und 150 Flaschen à 0,33 Liter.“

Christoph Winter

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