Klaus Wowereit, Bürgermeister von Berlin, schwul und katholisch: Wir sind die Stadt der Zukunft geworden

„Auf jeden Fall war und ist es mein politisches Ziel, dass Berlin eine tolerante und liberale Stadt ist. Ich setze mich als Vorbild“, sagt der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit.

Klaus Wowereit ist seit dreizehn Jahren Oberbürgermeister der deutschen Hauptstadt, die im Herbst den 25. Jahrestag des Mauerfalls feiert. In dieser Zeit hat die Stadt ihr Gesicht völlig verändert. Heute ist Berlin eine führende europäische Metropole, in die Scharen junger Menschen einwandern, darunter mehrere tausend Slowenen, für die diese Stadt aufgrund ihrer Lockerheit und Liberalität eine Art europäisches New York ist. Bürgermeister Wowereit ist ein erfahrener Politiker und könnte einer der Schlüsselkandidaten für das Amt des neuen SPD-Chefs sein. Er ist offen schwul, gebürtiger Berliner und Katholik – eine Kombination, die etwa im konservativen Bayern undenkbar wäre. Aber in Berlin, für dessen Aufblühen der sechzigjährige Klaus Wowereit zweifelsohne großen Verdienst hat, geht es eigentlich niemanden etwas an.

Herr Wowereit, muss man Berliner sein, um Bürgermeister von Berlin zu werden?
Ganz klar nicht, denn unter den insgesamt dreizehn Bürgermeistern Berlins sind gebürtige Berliner in der Minderheit. Nur mein Vorgänger und ich wurden in dieser Stadt geboren. Auch einige wichtige Vorgänger im Amt des Bürgermeisters, die international bekannt wurden, beispielsweise der legendäre Ernst Reuter, der spätere Bundeskanzler Willy Brandt und der Bundespräsident Richard von Weizsäcker, wurden nicht in Berlin geboren.

Ihre Stadt ist auf der ganzen Welt als sehr offen und freundlich gegenüber Schwulen und Ausländern bekannt. Viele sagen, es sei deine „Schuld“. Schmeichelt Ihnen das?
Auf jeden Fall war und ist es mein politisches Ziel, dass Berlin eine tolerante und liberale Stadt ist. Ich gebe mir selbst ein Vorbild. Diese weltoffene Offenheit muss von der Zivilgesellschaft der Stadt immer wieder verteidigt werden. Darüber hinaus profitieren wir alle in Berlin, wenn viele junge, kreative Menschen zu uns kommen.

Hier kann jeder sein Leben leben, seinen eigenen Weg suchen und finden, Neues entdecken und Gleichgesinnte treffen, um gemeinsam mit ihnen neue Projekte und Ideen zu entwickeln. Dies führte zu einem kontinuierlichen Tourismusboom, der bis heute anhält und uns zu einer führenden deutschen Stadt bei Unternehmensgründungen macht.

Liege ich richtig, wenn ich sage, dass Berlin schon immer offener und liberaler war als andere deutsche Städte? Für viele Slowenen ist Deutschland immer noch mehr oder weniger Bayern, München zum Beispiel.
Ich möchte München und seinen netten Oberbürgermeister Uhde nicht verletzen, aber ich denke, Sie haben Recht. Bereits in den 1920er Jahren war in Berlin vieles möglich und verwirklicht, was anderswo in Deutschland undenkbar war. Auch für Berlin bedeutete der Nationalsozialismus in dieser Hinsicht eine Verwüstung. Das zeigte auch unsere Ausstellungsreihe „Zerstörte Vielfalt“ im nun zu Ende gegangenen Gedenkjahr. So feierten wir 2013 den 80. Jahrestag der Machtergreifung Hitlers.

Was halten Sie von der Forderung der CSU (Christsozialen, Koalitionspartner und überzeugte Verbündete der Christdemokraten, CDU, Angela Merkel, op. DS), eine Maut auf deutschen Autobahnen einzuführen? Tatsächlich scheint es, dass mit diesem Antrag, der bei vielen Europäern für schlechte Laune sorgte, die bayerische Politik gestärkt wurde. Sind mautfreie Autobahnen in Deutschland nicht ein Symbol der Freiheit für uns alle?
Mein Mandant hat diese Forderungen nicht unterstützt, im Gegenteil. Aber auf Bundesebene haben wir eine Koalition mit der CSU ausgehandelt und die Sozialdemokraten haben einen Kompromiss zur zu prüfenden Maut erzielt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ist keine begeisterte Verfechterin dieser Idee, wir müssen aber die weitere Entwicklung abwarten.

Apropos Frau Merkel: Sehen Sie sich in Zukunft als deutsche Kanzlerin? Sie wären nicht der erste ehemalige Berliner Bürgermeister, der Kanzler wird. Sie selbst haben vorhin Willy Brandt erwähnt…
Ich bin sehr glücklich, Bürgermeister meiner Heimatstadt zu sein und suche keinen anderen Job.

Wollen Sie damit sagen, dass Sie sich zum jetzigen Zeitpunkt (noch) nicht für Bundespolitik interessieren?
Während der Koalitionsverhandlungen habe ich für die SPD Verhandlungen in den Bereichen Kultur- und Medienpolitik geführt und nehme auch regelmäßig an Sitzungen der Gremien meiner Partei auf Bundesebene teil. Der Ministerpräsident des Bundeslandes, wie ich als Bürgermeister von Berlin sicherlich von Amts wegen bin, spielt automatisch auch eine Rolle in der Politik auf Bundes-, also Bundesebene.

Wie hat sich Berlin seit 2001, seit Sie Oberbürgermeister sind, verändert?
Um es kurz und prägnant zu sagen: Wir sind in diesen mehr als zehn Jahren zu einer Stadt des Wachstums und vielfältiger Zukunftsperspektiven geworden. Die Bevölkerung unserer Stadt wächst, die Berliner Wirtschaft wächst, die Beschäftigung wächst und der Ruf unserer Stadt wächst weltweit. Intensives Wachstum bietet Sicherheit und positive Perspektiven für die Stadt und ihre Menschen.

Was haben Sie als Erstes getan, als Sie Bürgermeister wurden?
Ich erinnere mich besonders daran, dass ich mich am Anfang daran gewöhnen musste, als Herr Regierender Bürgermeister angesprochen zu werden. Die Sekretärinnen waren und sind erfahrene und erfahrene Kollegen, die, wenn jemand schlau ist, ihn nicht verwirren.

Seitdem Sie Bürgermeister sind, haben in Berlin eine ganze Reihe von Infrastrukturprojekten begonnen und die deutsche Hauptstadt ist immer noch voller Baustellen. Wann rechnen Sie mit der Fertigstellung der Hauptarbeiten?
Berlin wird nie fertig, Berlin wird nie fertig sein, sagt die alte Weisheit. Und das stimmt. Wir bauen eine neue U-Bahn-Verbindung unter der Spree und dem Boulevard Unter den Linden (U-Bahn, op. DS). Wir planen eine neue Verbindung der Hochbahn (ti S-Bahn, op. DS) mit dem Hauptbahnhof, wir bauen das Humboldt-Forum auf dem Gelände des alten Schlosses. Es gibt viele Pläne, Ideen und Investitionen. Wer in größeren Abständen nach Berlin kommt, kann sicher sein, dass er die Stadt auch in Zukunft nicht sofort wiedererkennen wird, denn es ist so viel Neues entstanden.

Jahrzehntelang war Berlin in West und Ost geteilt. 1989 fiel die Mauer, gewisse Differenzen blieben bestehen. Wann, glauben Sie, wird die Stadt die schmerzhafte Spaltung überwinden?
Ich bin ehrlich gesagt davon überzeugt, dass das Gefühl Sie täuscht. In Berlin sind die Unterschiede zwischen Ost und West längst überwunden. Auch weil fast 25 Jahre nach dem Mauerfall neue Generationen herangewachsen sind und viele neue Menschen in die Stadt gekommen sind. Sie erleben Berlin als natürliche und nicht mehr geteilte Metropole.

Sie sagen, Sie seien eher ein Liberaler als ein Sozialdemokrat. Was sagen Sie dazu? Das ist vielleicht auch eine gute Sache? (Wortspiel: „das ist auch gut so“ war Wowereits Wahlkampfslogan, mit dem er auch seine Homosexualität verteidigte, op. DS)
Im Gegenteil, es wäre überhaupt nicht gut. Als Sozialdemokrat handle ich stets im Bewusstsein der gesellschaftlichen Verantwortung gegenüber den Schwächeren unserer Gesellschaft. Aber ich appelliere auch an alle, die die Möglichkeit haben, ihre Chancen zu nutzen und sich verantwortungsvoll im Leben zu engagieren. Gleichzeitig bin ich mir als Sozialdemokrat bewusst, dass wir Wachstum und ein gutes Geschäftsumfeld brauchen.

Schreibst du bald ein neues Buch?
Dafür habe ich keine Zeit.

Rebekka Albrecht

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